1. Mose 28, 10-19a
Es gibt Ereignisse im Leben, die hinterlassen Spuren und tiefe Erinnerungen. Der Tag des Kennenlernens zweier Menschen, der Tag der Verlobung oder der Hochzeit. Den merken sich die Verliebten und schreiben ihn in die Ringe, die sie sich schenken. Oder ein schöner Urlaub, der soll nicht so verfliegen, die Fotos sollen nicht nur auf dem Handy oder der Kamera sein, sie sollen zur Erinnerung in ein Fotobuch kommen. Oder denken Sie an den Strich an der Tür, den die Mutter oder der Vater gemacht hat und daneben geschrieben hat, wann der Sohn oder die Tochter so groß war. Wir brauchen Zeichen der Erinnerung und sagen, weißt du noch, wie schön oder wie besonders es damals war. Die Flurbereinigungsgemeinschaft Döhlau –Görau hat vor gut 25 Jahren gesagt: „Die ganze Aktion war so erfolgreich, lasst uns einen Gedenkstein setzen und jedes Jahr einen Dankgottesdienst hier feiern“. Eine große Flurbereinigung wurde harmonisch beendet und das ist ein Grund, weshalb wir heute hier sind. Etwas ist gut gelaufen. Alle konnten mit dem Ergebnis gut leben und waren zufrieden, deshalb feiern wir einen Dankgottesdienst in der Flur.
Ein älterer Herr, den ich kürzlich zu seinem 90 Geburtstag besucht habe, sagte mir: Ach wissen Sie, Gott bin ich immer ganz besonders nahe, wenn ich oben auf einem Berg stehe und auf die schöne Landschaft blicke. Hier dürfen wir heute Gott nahe sein, Berge und die wunderschöne Landschaft sehen und auf sein Wort hören. In seinem Wort kommt er zu uns und will uns berühren. So hören wir auf die Worte aus dem 1. Buch Mose 28, 10-19a:
Aber Jakob zog aus von Beerscheba und machte sich auf den Weg nach Haran und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein von der Stätte und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an der Stätte schlafen. Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. Und der Herr stand oben darauf und sprach: Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe. Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht! Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels. Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goss Öl oben darauf und nannte die Stätte Bethel.
Bethel heißt Haus Gottes. Hier in Höflas am Gedenkstein mit dem Blick ins Steinachtal und ins Fichtelgebirge fühlten sich bestimmt Menschen schon oft Gott nah. Wir dürfen staunen, wie schön Gott alles gemacht hat und wie wir durch seine Schöpfung leben dürfen und durch die Landwirte diese Schöpfung erhalten wird. Danke dafür. Danke, dass auch in diesem Jahr der Regen, die Sonne, die Kälte und die Wärme so waren, dass etwas gewachsen ist. Danke, dass die Bienen und Insekten die Bäume und Sträucher befruchtet haben und wir die Früchte ernten dürfen, danke, dass die Fluten bei uns nicht so hoch waren, dass wir Tote zu beklagen haben. Doch wir wissen es ganz genau, dass wir leben ist nicht selbstverständlich.
Das wusste auch Jakob damals in der Wüste zwischen Beersheba und Haran. Er war auf der Flucht vor seinem Bruder, er war auf der Flucht vor seiner Schuld und seiner Angst. So wie wir auch manchmal einfach davonlaufen möchten. Wenn wir nicht wissen wie alles noch werden soll. Wenn alles zu viel wird und über uns zusammenstürzt. Als es dunkel wird, legt sich Jakob in der Wüste hin. Das ist alles sehr gefährlich. Dunkelheit, Wüste. Er ist den wilden Tieren und den Gefahren in der Nacht schutzlos ausgeliefert. Er schläft ein und träumt von Gott, der ihn aus dem Himmel freundlich ansieht und seine Boten auf einer Leiter zu ihm hinunterschickt. Gott kommt in der tiefsten Not zu ihm herunter und verspricht ihm, mit ihm zu sein. Er erinnert ihn wer er ist, nämlich der Gott Abrahams und Isaaks. Die hat er auch schon gut geführt und nun verspricht er dem Jakob, ihn wieder gut nachhause zu geleiten, dazu Land und viele Nachkommen.
Jakob ist überwältigt, dass er Gott schauen durfte. Wie wir vielleicht auch staunen, wenn wir merken, da ist Gott in meinem Leben. Jakob will sich an dieses Erlebnis und an den Ort erinnern können, deshalb errichtet er einen Gedenkstein und gießt Öl oben drauf und sagt: Hier ist das Haus Gottes, das bedeutet, hier kann ich Gott begegnen. Hier bin ich Gott nah. Vielleicht fühlen Sie sich auch gerade wie am Boden, wie Jakob, der nicht wusste, wie es für ihn weitergeht. Die Coronazeit hat uns alle ein bisschen dahingestreckt, erkranken lassen oder ängstlich oder einsam werden lassen. Feste, Geburtstage, Hochzeiten, Taufen, so vieles war und ist noch nicht möglich. Das gemeinsame Essen, das Reden miteinander, Ausflüge und Fahrten, alles wurde immer wieder abgesagt oder war verboten. Bei all dem schaut Gott nicht weg, sondern er sagt, genau da, wo du gerade leidest, bin ich mit dir und will dich nicht verlassen.
Jakob stellte ein Steinmal auf, damit er wusste, wo er Gott begegnet ist: in Bethel, 16 km von Jerusalem entfernt.
Diese Geschichte ist fast 4000 Jahre alt und doch ist Gott heute noch der gleiche, der zu uns herunterkommt. Wir müssen und können nicht mit Leitern zu ihm hinaufklettern. Er kam zu uns herab. Gott kommt zu uns in Jesus, von dem es heißt, der Stein, den die Bauleute verworfen haben ist zum Eckstein geworden. Jesus ist dieser Eckstein, der alles zusammen hält: Himmel und Erde, Leben und Tod, Vergeben und Neuanfang.
Ein Wort über Jesus im 2. Petrusbrief lautet: „Ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.“ Vor tausenden von Jahren verehrte man Steine. Große Steine wurden aufgestellt als Zeichen der Größe und Macht der Götter. Gedenksteine, wie hier der in Höflas wecken Erinnerungen, aber trotzdem sind es Steine. Gott kommt in Jesus in Fleisch und Blut und in großer Liebe. Wenn du an ihn glaubst, sollst du nicht zuschanden werden. Seine Botschaft lautet, wenn du auf der Flucht bis vor dir selbst oder vor deinem Bruder oder vor irgendeiner Angst, dann bin ich da. Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir. Jakob fürchtete sich vor seinem Bruder, weil er ihn getäuscht hatte. Er fürchtete sich vor den Folgen seiner Schuld. Auch bei uns ist das heute so. Die Fragen der Menschheit haben damit zu tun. Wie gehen wir mit Gottes Schöpfung um. Wir sind schuld an der Verschmutzung der Erde, an Hunger und Elend. Wir sind verstrickt in der Sünde. Und da kommt uns Gott entgegen. Wir müssen nicht von ihm träumen, sondern seine Nähe ist Wirklichkeit geworden in Jesus, der aus dem Himmel kam und zum Eckstein wurde und wer an ihn glaubt, wird in der Schuld nicht untergehen, sondern wird gerettet.
Mein Vater erzählte mir, dass er im Krieg mit ansehen musste, wie wertlos das menschliche Leben war. Auf der Flucht, im kalten russischen Winter, den Kopf voller schrecklicher Bilder, die ihn nicht loslassen wollten, kam er eines Tages in ein russisches Dorf.
Eine alte, gebrechliche Bäuerin lud ihn und seinen Kameraden zu sich ein. Sie gab ihnen, den Feinden, Brot. Mitten im Krieg kam der Himmel zur Erde. Er verstand zwar kein Russisch. Nur die Worte: Bosche o Bosche, Gott o Gott, blieben ihm in Erinnerung.
Ihm wurde klar, was es bedeutet, wenn der Himmel die Erde berührt. Für ihn wurde ein Mensch zu Bethel, ein Mensch, der ihm Liebe erwies.
Manchmal begegnet uns Gott in Menschen. Menschen, die uns zeigen, was es bedeutet, wenn der Himmel die Erde berührt. Dann werden wir eingeholt von der Liebe Gottes. Dann spüren wir, dass wir wertgeachtet sind, dass wir unseren Wert nicht selbst beweisen müssen.
Dann werden wir befreit, auch anderen Menschen in Liebe zu begegnen. Wenn der Himmel zur Erde kommt.
Kurt Marti hat diese Erfahrung in einem Gedicht ausgedrückt:
Der Himmel, der ist, ist nicht der Himmel, der kommt, wenn einst Himmel und Erde vergehen.
Der Himmel, der kommt, das ist der kommende Herr, wenn die Herren der Erde gegangen.
Der Himmel, der kommt, das ist die Welt ohne Leid, wo Gewalttat und Elend besiegt sind.
Der Himmel, der kommt, das ist die fröhliche Stadt und der Gott mit dem Antlitz des Menschen.
Der Himmel, der kommt, grüßt schon die Erde, die ist, wenn die Liebe das Leben verändert.