05.05.2013 Pfr. Lindner: Konfirmation

Der gute Hirte, Psalm 23


1 Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
2 Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zum frischen Wasser.
3 Er erquickt meine Seele. Er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
4 Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
5 Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein.
6 Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Liebe Konfirmandinnen, liebe Konfirmanden,
eben habt ihr den Psalm vom guten Hirten gehört.
Ich muss euch gestehen, dass ich manchmal das Gefühl habe, dass bei euch dieser Psalm sich ganz anders anhört. Vielleicht eher so:

Der Herr ist mein Handy,
mir wird es nicht mangeln. Denn mein Handy ist immer bei mir, ich bin nie allein.
Es weidet mich auf einer grünen Aue mit immer neuen faszinierenden Bildern und führt mich zum frischen Wasser. Ständig gibt es Neuigkeiten und ein brandneues SMS.
Es erquickt meine Seele und führt mich auf rechter Straße. Wenn ich mal traurig bin, erquickt mich ein krasser Witz und wenn ich den Weg nicht finde, gibt es schließlich das eingebaute Navi, das mir die Richtung zeigt.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir. Ja, in meinem Handy finde ich auch alle Bibelstellen, Lieder, sogar das passende Gebet. So spendet mir mein Handy Trost.
Ja, mein Handy beschenkt mich reichlich und gibt mir eigentlich alles, was ich zum Leben brauche. Ich möchte es mein Leben lang nicht missen.

Ja, liebe Konfirmanden, kürzlich habe ich in der Zeitung gelesen, dass der heutige Schüler etwa alle halbe Stunde Kontakt mit seinem Handy hat. Wenn man die Schlafzeiten abzieht, also ungefähr 20-30 Mal am Tag. Es begleitet euch lautlos. Wenn ein neues SMS kommt, dann hört das niemand sonst. Aber ihr wisst es, weil es wieder mal bei euch vibriert hat.

Ich weiß, euer Handy gehört einfach zu euch. Es ist eine tolle Errungenschaft und es wird auch noch ständig weiter entwickelt werden. Viele von euch werden sich von dem geschenkten Geld der Konfirmation ein noch besseres Handy kaufen, um noch mehr Möglichkeiten zu bekommen. Das Handy wird euer Leben begleiten und das ist auch gut so.

Ich will Euch heute aber deutlich machen, dass es noch mehr gibt im Leben als euer Handy. Das Handy ist nur ein schnelllebiger, elektronischer Gegenstand, der austauschbar ist. Wie viele ausrangierte Handys liegen bei uns bereits im Schrank und sind im Grunde Schrott.

1. Das Handy erreicht nur euere Oberfläche
So nützlich und wichtig ein Handy sein kann, so erreicht es doch nur Euere Oberfläche. Es fasziniert euere Sinne. Doch der Glaube an den guten Hirten, von dem unser Psalm spricht, geht da viel tiefer: er erreicht euren ganzen Menschen: euer Herz, eure Seele, ja die Tiefe eurer Existenz.

Ich kann mich gut an einen jungen Mann erinnern, der eine schwere Enttäuschung erfahren hat. Ich nenne ihn einmal Ben. Er war von seiner Freundin verlassen worden und verstand seine Welt nicht mehr. Er fühlte sich zerstört, weil er sie so geliebt hatte. Alles hätte er für sie gegeben.

„Bin ich denn nichts wert, dass man mich so einfach wegwirft?“ fragte er sich. Selbst sein geliebtes Handy hat er in den Kleiderschrank geschoben, tief unter die Wäsche. Denn damit hatte er viele Monate mit ihr kommuniziert. Manches Mal jede freie Minute.

Es konnte ihm in dieser dunklen Zeit nicht helfen. Hier hat ihn der Psalm 23 neu angesprochen mit den Worten: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Jetzt wo er litt wie ein Hund und großen Mangel hatte, begann er zu beten: „Herr, ich bin enttäuscht und wahnsinnig sauer. Ich fühle mich leer und ausgenützt. Doch ich weiß, bei dir bin ich wertvoll, du verlässt mich nie. Du bist immer für mich da. Meine Liebe zu dir wird niemals enttäuscht werden. Hilf mir und heile meine Wunden.“

Diese Gewissheit hat ihm geholfen in seinem Schmerz. Er erkannte: es ist jemand da, der mich versteht, auch wenn ich jetzt mit niemanden simsen oder reden kann.

2. Das Handy versetzt euch in eine Scheinwelt
Vor kurzen hat mich eine Zeitungsmeldung aufgeschreckt. Vielleicht habt ihr oder euere Eltern auch den Bericht von der Unicef-Studie im April gelesen. Denn sie hat gezeigt, dass die Kinder und Jugendlichen – also ihr – in Deutschland unzufrieden sind und nicht besonders glücklich. Und das, obwohl es Euch viel, viel besser geht als uns in unserer Jugend und ihr einen Lebensstandard habt, von dem viele Jugendliche in Europa oder gar in der dritten Welt nur träumen können.

Ich vermute fast, dass daran die Handys und der ge-steigerte Medienkonsum nicht ganz unschuldig sind. Denn Euere Handys und Tatschphones mit dem ständigen Internetanschluss versetzten euch in eine andere Welt, die euch in den Bann zieht.

Diese Medienwelt versucht alles, um euere Aufmerksamkeit und euer Interesse zu gewinnen. Sie versetzt euch in eine glitzernde Welt der Wunschträume und der funkelnde Medienstars. Dadurch entsteht bei euch der Eindruck, das ist die wirkliche Welt, das ist das wirkliche Leben.

Daneben erscheint euer Alltag oft blass und farblos und ihr seid damit beschäftigt, dieser Medienscheinwelt nachzujagen. Dabei bleiben die guten und realen Erfahrungen und Gefühle in euerem Leben auf der Strecke. Ihr seid nicht mehr fähig, das wahrzunehmen, was euch wirklich glücklich macht. Ihr bestaunt z.B. irgendwelche tollen Bilder und werdet blind für die wunderbare Natur, die euch gerade jetzt mit Freude beschenken will.
Toll fand ich eine andere Aktion, die auch in der Zeitung stand: Handyfasten. Wir haben das ja auch schon auf der Konfifreizeit mal zwei Tage praktiziert.
In Braunschweig wurde dieser Versuch von zwei Schulklassen 14 Tage lang unternommen. Die Schüler berichten, dass es zwar zunächst Entzugserscheinungen gab, aber sie sich nach einigen Tagen tatsächlich entspannter, freier und glücklicher fühlten.
Vielleicht denken jetzt einige von euch: Bringt uns das wirklich etwas? Auf der Konfifreizeit habt ihr das gespürt, dass ihr plötzlich frei wurdet für ganz andere Gedanken und vielleicht viel, viel wichtigere Gedanken.
Zum Beispiel das, was Euch der Psalm 23 nahe bringen will. Denn dort wird euch das gesagt, was euer innerer Mensch wirklich braucht. Unsere Seele sehnt sich nach diesen guten Hirten, denn er gibt ihr etwas, das euch eine Handywelt niemals bieten kann. Er spricht uns zu:
Ich, dein Gott, bin dein guter Hirte und Begleiter: „Ich habe dich geschaffen als ein einzigartiges Unikat. Du bist nicht eines von vielen Handys! Du bist einmalig, unverwechselbar und einzigartig. Du musst kein Star sein, du musst auch nicht verzweifelt Anerkennung suchen. Du bist, so wie du bist, mein Kind – ein Gotteskind, auf das ich stolz bin und das ich hüten werde, wie eine wunderbare Kostbarkeit. Denn ich kannte dich schon, als dich die Welt noch nicht gesehen hat, und du wirst in meinem Licht stehen, wenn du die Welt verlässt. Ich will, dass du ewig lebst – denn so wertvoll bist du mir. Natürlich weiß ich, dass du nicht vollkommen bist und dass du auch immer wieder Fehler machst. Verzweifle nicht. Vertraue mir deine Fehler und Schwächen an. Ich vergebe dir und helfe dir.“
Liebe Konfirmanden, diese Gewissheit des 23. Psalms macht mich sehr glücklich. Immer kann ich mit meinem guten Hirten sprechen und alles, was mich bewegt, ihm anvertrauen kann. Ich fühle oft schon nach einem kurzen Gespräch mit meinem Vater im Himmel Freude und eine tiefe Zufriedenheit. Und wenn mich etwas quält oder ich versagt habe, dann habe ich eine Anlaufstelle, wo ich sofort beichten kann. Mein guter Hirte schenkt mir etwas, das ich sonst nirgends finden kann, schon gar nicht in meinem Handy. Deshalb wünsche ich euch von ganzem Herzen für euer Leben, dass auch ihr so beten könnt: „Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln!“
Amen.