Himmelfahrt 2019, Predigt über Gottesbilder, Bayreuth-Laineck
Pfr. Gottfried Lindner
Lesungen 2. Mose 20
Gott spricht zum Volk Israel:
2 »Ich bin der Herr, dein Gott! Ich habe dich aus Ägypten herausgeführt, ich habe dich aus der Sklaverei befreit.
3 Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.
4 Du sollst dir kein Gottesbild anfertigen. Mach dir überhaupt kein Abbild von irgendetwas im Himmel, auf der Erde oder im Meer.
5 Wirf dich nicht vor fremden Göttern nieder und diene ihnen nicht. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein leidenschaftlich liebender Gott und erwarte auch von dir ungeteilte Liebe.
7 Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird jeden bestrafen, der das tut.
Predigt Gottesbilder
Liebe Gemeinde,
Himmelfahrt: Jesus kehrt zurück zum Vater. Wie wird das wohl gewesen sein? Wen trifft er dort im Himmel an? Einen alten Mann mit Bart, einen hohen Richter mit Hofstatt, einen Geist, der allgegenwärtig ist?
Es gibt unendlich viele Gottesbilder, die uns Menschen bestimmen. Und keines unserer Bilder wird Gott wohl wirklich gerecht. Gott sprengt all unsere Vorstellungen. Er ist von unserem kleinen Verstand nicht fassbar. Wenn wir ihn wirklich einmal sehen werden, dann werden wohl all unsere Gottesbilder von uns abfallen, wie im Herbst die Blätter von den Bäumen, und wir werden Paulus zustimmen, der formuliert hat: Was kein Auge gesehen und was kein Ohr gehört, (was kein Bild fassen kann) das wird Gott für uns sein.
Allerdings ist auch die Bibel voller Geschichten und Bilder von Gott. Die Autoren der Bibel vergleichen ihn mit einer Burg und mit dem Feuer. Er ist Vater, Hirte und Baumeister, fängt den Wind in seinen Fäusten, riecht wohlriechende Düfte mit seiner Nase, hat Arme, Ohren, Augen und einen Rücken – allesamt sehr menschliche, geradezu sinnliche Bilder.
Trotz dieser Flut an Bildern lesen wir im 2. Buch Mose (20,4 Gute Nachricht): „Du sollst dir kein Gottesbild anfertigen“. Hier hatte man allerdings vor allem die Götzenbilder aus Stein, Holz und Metall vor Augen, die unmittelbar vom Menschen angebetet werden können.
Andererseits können wir zu einem Gott, von dem wir keinerlei Vorstellung haben, auch nicht beten. Irgendwie müssen wir uns Gott ja vorstellen. Hört er mich überhaupt? Mag er mich? Geht er gut und geduldig mit mir um? Oder ist er gar böse und leicht reizbar?
Ohne Vorstellung gibt es keine Beziehung. Wir machen die Erfahrung: wenn wir zu Gott Kontakt aufnehmen und zu ihm beten, entstehen ganz von selbst Bilder in uns.
Allerdings sind das eher sinnliche Bilder. Das unterstreicht auch die Theologin Dorothee Sölle: Gerade weil Gott nicht fassbar ist, teilt er sich uns in sinnlichen Bildern mit.
Als Beispiel nenne ich das Vaterunser, das wir in jedem Gottesdienst sprechen. Da steht nicht ein festes Vaterbild vor uns, sondern eher jemand, der uns versteht, liebevoll begleitet, immer wieder vergibt und uns Geborgenheit schenkt.
Solche sinnlichen Gottesbilder, die wir auch vielfältig in der Bibel finden, begleiten uns alle und das ist wohl auch gut und natürlich.
Und doch werden wir immer wieder von Gottesbildern bestimmt, die uns schaden. So haben theologische Fachleute herausgefunden, dass gute Gottesbilder heilsam für uns sind und falsche Gottesbilder uns krank machen können.
Der bekannte Missionswissenschaftler George Peters, der bis 1988 gelebt hat, ging sogar und weiter und formulierte: „Das falsche Gottesbild ist die größte Glaubensnot des Menschen.“ Peters hat in seiner Missionstätigkeit erlebt, wie verkehrte Gottesbilder Menschen krank gemacht und sogar in den Suizid getrieben haben.
Es gibt nun Gottesbilder, die haben uns von Kind auf geprägt. Doch nicht immer haben sie uns wirklich Gott näher gebracht, nicht selten auch Gott verdeckt. Drei solche Bilder möchte ich jetzt mit ihnen reflektieren.
1. Gott, der alte Mann mit dem langen Bart
Gott der alte Mann mit dem langen Bart. Dieses Bild finden wir im vertrauten „Gottbüchlein“ der 50 und 60iger Jahre. Ist Gott wirklich der alte, zwar weise, aber senile Herr, der die moderne Welt nicht mehr so recht versteht?
Das ist ein sehr, sehr menschliches Bild, aber eigentlich ohne jeglichen biblischen Bezug. Der Gott der Bibel ist ewig. Er kennt kein menschliches Alter. Er wird auch bestimmt nicht alt wie der Mensch und schon gar nicht senil!
Wenn wir überhaupt versuchen, Gott mit einem menschlichen Lebensalter zu vergleichen, dann wäre er wohl eher der junge, dynamische und kreative Mensch – immer auf dem neuesten Stand und total up to date.
Wie bestaunen wir heute die Möglichkeiten der modernen Technik. Doch Gott kann wohl darüber nur müde lächeln, denn er ist diesen technischen Möglichkeiten Lichtjahre voraus.
Allerdings nicht so, dass dadurch die Natur und unser Planet langsam zerstört wird. Seine Technik ist zutiefst umweltfreundlich. Das zeigt uns die Natur. Darüber könnte man noch eine ganze eigene Predigt halten: über Gott, den äußerst jugendlichen Schöpfer und Erhalter.
Also: Gott ist auf keinen Fall der alte Mann mit dem langen Bart! Gott, der ist eher jung, dynamisch, unendlich kreativ.
Doch ich will noch ein zweites Gottesbild ansprechen.
2. Gott, der unbarmherzige Richter
Das Bild vom unbarmherzigen Richtergott kennen wir auch sehr gut. Diese Angst vor dem Gericht Gottes begleitet uns alle irgendwie, wenn wir das Wort Richtergott hören und im Glaubensbekenntnis formulieren: von dort wird er kommen, zu richten die Lebendigen und die Toten.
Hierzu gibt es auch noch viele biblische Geschichten im Alten Testament, die unsere Angst verstärken. Denken wir z.B. an die Sintflut, an Sodom und Gomorrha, an Jericho, wo viele und wohl auch Unschuldige dem Gericht Gottes zum Opfer fielen.
Das Alte Testament der Bibel bringt uns teilweise einen unbarmherzigen Gott nahe, der viele, die sich ihm widersetzt haben, heftig bestraft. Wir erleben dort einen Gott, der wie ein Feldherr und Machthaber agiert und immer wieder einmal mit dem Tod droht und bestraft.
Natürlich gibt es auch andere Richterbilder von Gott im Alten Testament, wie z.B. Psalm 30,6: „Sein Zorn dauert einen Augenblick, doch lebenslang seine Gnade.“ Doch da sind die vielen anderen Gerichtsworte und Bilder-Geschichten, die uns als Christen Probleme bereiten.
Durch Jesus Christus wurde dieses jüdische Bild vom Richtergott verändert. Jesus hat uns das Bild von Gott dem Vater groß gemacht. Außerdem hat er gezeigt und immer wieder unterstrichen, dass Gott ein Gott des Lebens ist. Er hat es nicht nötig, mit dem Tod zu bestrafen. Der Tod ist also für uns Christen keine Gottesstrafe. Auch Krankheiten oder Lebensschicksale sind nicht Strafen Gottes, sondern Herausforderungen des Lebens.
Nach unserem Glaubensbekenntnis hat Gott alles Gericht Jesus Christus in die Hände gelegt. Danach wird er alle Menschen richten, die Lebenden und die Toten, wenn er einst wiederkommt, so unser Glaubensbekenntnis.
Doch sogleich steht da wieder ein Bild vor uns von Jesus, dem mächtigen Oberrichter. In seiner Richterrobe spricht er klare Urteile über uns. Am Ende ist er dann doch nicht mehr der Bruder und Freund, sondern der souveräne Richter. Das ist häufig unser menschliches Bild!
Doch der Sohn Gottes ist sicher anders und auch viel mehr als ein menschlicher Richter. Ein menschlicher Richter kann eben nur urteilen nach Recht und Unrecht. Er kann Menschen eben nicht neu ausrichten und zurechtbringen.
Doch genau das steckt auch im Wort Richter: nämlich in die richtige Richtung bringen. Das ist nun unsere christliche Hoffnung am Tage des Gerichtes. Wir werden wohl nicht nur einen Richter erleben, der rechtsprechen kann.
Vielmehr werden wir einen Richter erleben, der zurecht bringen kann. Er wird uns nicht nur einfach unser Unrecht aufzeigen, sondern uns auf den Weg der Gerechtigkeit führen.
Endlich werden wir die Gerechtigkeit leben können, die wir uns wünschen. Endlich bringt uns einer wirklich zurecht. Wir haben es versucht in unserem Leben, doch es nie aus eigener Kraft wirklich geschafft. Nun kommt Jesus der Richter, der uns von der Ungerechtigkeit zur Gerechtigkeit führt.
Er holt uns heraus aus dem Zustand der Sünde und führt uns auf den Weg der Gerechtigkeit. Dieser Richter bringt uns in die richtige Richtung. Er richtet uns zurecht. Ja, Jesus der Richter ist 1000-mal mehr als ein menschlicher Richter.
Wir dürfen uns also auf diesen Richter freuen, denn er kommt als Helfer und Retter und Befreier und nicht als der unbarmherzige Richter.
Noch ein drittes und letztes Bild von Gott.
3. Gott, der Allmächtige und Liebende
Dass Gott allmächtig ist, bekennen wir in unserem Glaubensbekenntnis. Zugleich berichtet die Bibel tausendfach von der Liebe Gottes. Viele von uns sprechen auch gerne von ihrem „lieben Gott“ und haben dabei ein ganz bestimmtes Bild von Gott. Nämlich, dass Gott immer genau das für uns tut, was wir uns wünschen und für sinnvoll ansehen. Doch wenn etwas geschieht, was wir nicht verstehen, bricht das Bild vom lieben Gott zusammen.
So erleben wir das auch in unserer Gesellschaft, dass eben gerade das Bild vom „lieben Gott“ nicht durchträgt, sondern rasch zusammenbricht und auch enttäuscht.
Denn gerade in den schwierigen Schicksalsschlägen bringen wir Menschen diese Allmacht und die Liebe Gottes nicht mehr zusammen. Wir verstehen es nicht, dass Gott uns einen geliebten Menschen mitten im Leben nimmt, wo er uns doch unendlich liebt und alle Macht hat.
Wenn wir anfangen, das mit unserer Logik zu deuten, dann muss seine Liebe ausgesetzt haben oder seine Allmacht ist nur phlegmatisch und unverständlich.
Die Folge ist dann die vielgehörte Warum-Frage. Warum hat Gott den Holocaust zugelassen, warum sterben so viele unschuldige Kinder? Warum, warum, warum?
Als Christen sind wir da auch immer wieder sprachlos und auch hilflos. Von Theologen wird dann auch gerne in Frage gestellt, ob Gott wirklich allmächtig ist, ob man diesen Satz nicht aus dem Glaubensbekenntnis streichen sollte. Denn wenn er allmächtig ist und voller Liebe, dann ist es logisch für uns, dass er helfend eingreifen muss. Gerade dieses Argument hören wir auch immer wieder von Atheisten. Sie wollen uns deutlich machen, dass es einen solchen unlogischen Gott nicht geben kann bzw. ein solcher Gott absurd ist. Und sie kommen zum Ergebnis: Es gibt keinen Gott!
Doch für uns Glaubende macht das gerade deutlich, dass Gott nicht logisch fassbar ist. Wenn wir Gott mit unserer Logik, mit unserem Verstand fassen könnten, wäre er nicht Gott. Gott sprengt unsere Logik.
Dietrich Bonhoeffer hat das deutlich ausgedrückt mit dem Satz: „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“ Einen Gott, den wir fassen und beweisen können, gibt es nicht. Dann wäre Gott eine menschliche Erfindung.
Dass Gott nicht mit menschlicher Logik erfassbar ist, hat schon Hiob im Alten Testament erkannt. Er hat versucht, Gott mit seiner Logik zu erfassen, und Gott antwortet ihm: Jawohl, o Mensch: wer bist du denn, also du, der du mit Gott rechten willst? Hiob muss erkennen, dass Gott ihm viel zu groß ist, um ihn zu begreifen. Daraufhin antwortet er Gott: Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen. Der Name des Herrn sei gelobt.
So stell ich mir auch Jesus vor, der zum Vater zurückgekehrt ist. Er hat wohl einfach ganz neu gestaunt und neu erkannt: Wie einzigartig bist du, Vater Gott, und so unsagbar groß, allmächtig und einzigartig liebend. Unfassbar für den menschlichen Geist.
Amen.