01.05.2015 Pfr. Lindner: Abendmahl der Konfirmanden

Vergebung

Liebe Konfirmanden,

in der Konfirmandenzeit habe ich euch eine kleine Geschichte erzählt, die Euch sichtlich berührt hat. Ein Mann hat beim Vaterunser immer einen Satz weggelassen. Er hat gebetet „Unser tägliches Brot gib uns heute.“  und dann: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“

Den Satz: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ hat er weggelassen.

Diesen Satz konnte er nicht beten, denn er konnte seinem Bruder nicht vergeben. Er hatte ihn tief verletzt. Schon seit Jahren sprach er nicht mehr mit ihm. Einmal hat er gesagt: Der ist für mich gestorben.

Als ich seine Geschichte genauer hörte, dachte ich, so schlimm ist doch seine Schuld nicht – warum kann er nur nicht vergeben. Doch für ihn war es schlimm. So schlimm, dass er nicht vergeben konnte.

Solche Geschichten gibt es viele – auch hier in Laineck. Ich kenne verschiedene Familien, die nicht mehr miteinander reden, weil eben etwas vorgefallen ist und man sich nicht mehr versöhnen konnte.

Auch bei euch, liebe Konfis, gab es schon Konflikte und ihr seid euch aus dem Weg gegangen und habt nicht mehr miteinander gesprochen.

Doch ich bin so froh, dass ihr euch wieder versöhnt habt und nun im Gottesdienst bewusst beten könnt. „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unserem Schuldigern.“

Vergeben ist so schwierig

Warum ist das so schwierig mit dem Vergeben? Das liegt an unserer menschlichen Persönlichkeit.

Wir sind von Gott als einzigartige Persönlichkeiten geschaffen worden. Jeder von uns ist ein Kind Gottes – einzigartig und einmalig. Jeder ist auf seine Weise genial. Da Gott der Herr aller Herren ist und König aller Könige, sind wir so etwas wie Königskinder.

Das spüren wir vor allem an unserem Ehrgefühl. Wenn man uns sehr verletzt, dann ist das so wie wenn uns eine Spitze aus unserer Königskrone gebrochen wurde. Dieses Ehrgefühl ist bei uns unterschiedlich stark ausgebildet. Doch jeder kennt sein Ehrgefühl und jeder spürt auch, wenn seine Ehre verletzt wird. Wenn wir verletzt werden, dann werden wir kämpferisch, wir wollen uns rächen, wir wollen das, was uns angetan wurde, auch dem anderen antun.

Die Bibel kennt das alte Gesetz, es lautet: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Das besagt, wenn mir jemand ein blaues Auge versetzt hat, dann zahle ich ihm das zurück und wenn er mir einen Zahn ausgeschlagen hat, dann habe ich das Recht, ihm auch einen Zahn auszuschlagen.

Doch oft kann man sich so nicht rächen. Und oft sehen wir die Schuld der anderen viel schlimmer als sie in Wirklichkeit ist, und unsere eigene Schuld sehen wir oft gar nicht oder zu gering. So bleibt der Zorn. Es bleibt die Verletzung. Es bleibt der Hass.

Viele Menschen leben voller Zorn und Hass gegen einen anderen Menschen und können nicht vergeben. Ob sie nun wirklich gerecht empfinden, bleibt oft dahingestellt. Außerdem hat die Psychologie festgestellt, dass Hass und Zorn unserer Seele nicht gut tut und sie uns auf Dauer krank machen.

Christen können leichter vergeben

Warum können wir als Christen eigentlich leichter unseren Mitmenschen vergeben?

Als Christen wissen wir, dass wir nicht nur Königskinder sind. Der Apostel Paulus formuliert es so: „Wir sind beides: Königskinder, aber auch Sünder. Keiner ist ohne Sünde, keiner lebt so, dass ihn Gott gerecht nennt. Eigentlich kann kein Mensch vor der Gerechtigkeit Gottes bestehen.“

Ja, so ist es – in uns steckt ein König, aber auch ein Räuber und Sünder. Und keiner kann sagen, dass er nur König ist! Wir sind alle auf Vergebung angewiesen.

Martin Luther sagte einmal: „Wir brauchen jeden Tag, ja jede Stunde die Vergebung.“ Er sprach von der täglichen Vergebung und Buße.

Jesus hat nun für uns etwas Einzigartiges getan. Etwas, was uns aus dem Teufelskreis der Schuld und Vergeltung herausreißt. Er hat all unsere menschliche Schuld auf sich genommen, die passiert ist und die noch geschehen wird. Er hat dafür sein Leben hingegeben, damit wir das begreifen, wie ernst er es mit uns meint und wie wichtig wir ihm sind.

Wir feiern heute Abendmahl und ich werde Euch dann zusprechen: „Christi Blut für Dich vergossen zur Vergebung deiner Sünden.“  Das ist ein wahnsinnig großes Geschenk. Er bietet uns an, alles, was uns an Schuld bewusst ist, ihm abzugeben und er nimmt es aus unserem Leben.

Auch wenn wir große Schuld auf uns geladen haben, er nimmt sie uns weg und schenkt uns Frieden mit Gott. Wir werden frei und Jesus spricht uns zu: Dir sind deine Sünden vergeben.

Und das gilt ausnahmslos. Egal was passiert ist, ich kann ihm meine Schuld abgeben und meine Seele wird vor Gott rein.

Deshalb haben wir es auch als Christen leichter, unseren Mitmenschen, die an uns schuldig geworden sind, zu vergeben. Denn wir spüren, wie uns das gut tut, dass Gott uns vergibt – so können wir auch anderen vergeben.

Vergebung von Enrico

Zum Abschluss möchte ich euch noch eine kleine Vergebungsgeschichte erzählen, die vor über 70 Jahren im KZ passiert ist. Enrico Dapozzo war ein italienischer Häftling im KZ in Deutschland mit verkrüppelten Armen. Auf 40 kg abgemagert.

Der Kommandant kommt in seine Zelle und öffnet genüsslich ein Päckchen mit Weihnachtsplätzen mit den Worten: „Deine Frau kann wunderbar backen“, und dann isst er genüsslich die Plätzchen vor den Augen des Gefangenen auf. Enrico bittet, wenigsten an den Plätzchen riechen zu dürfen, um die Liebe seiner Frau zu spüren.

Doch auch das verwehrt ihm der Kommandant. Enrico ist Christ. Doch in ihm steigt Hass auf. Er betet um Kraft. Er betet, dass Gott ihm das Unmögliche möglich macht, diesem Unmenschen zu vergeben.

Enrico Dapozzo überlebt wie durch ein Wunder und wird Evangelist und predigt von der Liebe Gottes.

Schließlich sucht nach seinem Peiniger. Nach 10 Jahren spürt er ihn endlich auf. Er nimmt einen Freund mit, lässt von seiner Frau einen wunderbaren Kuchen backen und klingelt an seiner Wohnungstür. Der Mann erkennt ihn nicht und Enrico fragt ihn: „Erinnerst du dich an Heilig Abend 1943?“ - „Nee“, antwortet er. "Sagt dir die Nr. 1753 was?"

Und plötzlich wird der Mann leichenblass und er erkennt in ihm den Häftling von damals.  Voller Angst schreit er auf und sagt: "Bist du gekommen, um dich zu rächen?" -"Ja, sagt er." Und dann packt er das Paket aus, stellt den Kuchen auf den Tisch und bittet die Frau Kaffee zu kochen. Dann essen sie schweigend den Kuchen.

Und als der eine voller Angst und der andere noch mit sich kämpfend den Kuchen gegessen haben, sagt Enrico: „Um der Liebe Jesu willen vergebe ich dir."

Durch dieses Vergebungsgeschenk wird der ehemalige KZ-Kommandant so tief berührt, dass er zum Glauben findet, die Vergebung durch Jesus annehmen kann und seine Seele Frieden findet.

Liebe Konfirmanden, ich wünsche euch, dass euch die Vergebung und das Abendmahl ganz groß werden. Dass ihr dieses einzigartige Geschenk des christlichen Glaubens annehmt und dass dadurch euer Leben gesegnet wird.

Ich wünsche euch, dass ihr immer beten könnt: vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

Amen.